Walter Schels, Fotograf /
Zum ersten Mal sah ich das Gesicht eines Neugeborenen. Kein geschichtsloses Wesen schaute mich da an, sondern ein Antlitz mit Vergangenheit, wissend, uralt. / So kommentiert Walter Schels seine Reportagen über Geburten in der Zeitschrift Eltern. /
Wenn Prominente das Lächeln vergessen. / Ich liebe Passfotos, da sie sich jede Affektiertheit verbieten. / Die meisten Prominenten sind ja Kamera-erfahren, sie versuchen, sich ihrem Publikum kompetent und gefällig zu präsentieren – und wirken umso fadenscheiniger, je mehr sie schauspielen. / Deshalb inszeniere ich nie. Ich suche das wahre Gesicht in jedem Gesicht. /
Hände machen etwas sichtbar. / Genauso wie ein Gesicht oder die Ohren oder die Iris eines Menschen. / In diesem Sinne betrachte ich Hände als Teil eines Portraits. /
Seit ich denken kann, interessiere ich mich für Hände. / Ich erinnere mich an meine Eltern und meine fünf Geschwister. / Ich sehe ihre Hände klar vor mir. Die Arbeiterhände meines Vaters, der Mehl ausfuhr und die schweren Säcke in die Speicher der Bäcker schleppte. Die kräftigen Hände meiner Mutter, geprägt von den Strapazen der alltäglichen Arbeit. Wir Geschwister hatten alle völlig unterschiedliche Hände. Schon als Kind habe ich gegrübelt, warum dies so war, obwohl wir doch die gleichen Eltern hatten. /
Sterben heißt ja, das Leben noch einmal. / Die Journalistin Beate Lakotta, meine Frau, suchte gemeinsam mit mir Hospize auf, um unheilbar Kranke in den letzten Wochen und Tagen ihres Lebens zu begleiten. / Einige erlaubten mir, sie vor und nach ihrem Tod zu porträtieren. / Wir waren überrascht, wie das Sterben seinen Schrecken verliert, sobald sich die Gesichtszüge entspannen. / Gelassenheit, ja Beseeltheit strahlt von den Toten aus. /
Die Würde der Kreatur ist unantastbar. / Für meine Tier-Porträts nahm ich mir Menschenbilder zum Vorbild, sodass selbst ein Schaf plötzlich wie ein Würdenträger wirkt. / Anders, wenn ich Menschen fotografiere, dann lege ich Wert auf nahezu animalische Unbefangenheit. Keine Posen, kein aufgesetztes Lächeln, keine Eitelkeit. /
Walter Schels ist Fotograf, 1936 in Landshut geboren. / Er arbeitete als freier Fotograf in New York, bevor er 1970 in München sein Studio gründete. / Bekannt wurde Schels mit Charakterstudien von Künstlern, Politikern und Prominenten. / Mit gleicher Intensität porträtiert er Tiere. / In seinen Serien über Blinde, Behinderte und Frühgeborene widmet sich Schels der menschlichen Existenz. / Für eine Dokumentation, in der er Hospizpatienten kurz vor und nach deren Tod porträtierte, erhielt er u.a. eine Goldmedaille des Art Directors Clubs Deutschland, einen Lead Award der Akademie für neue Bildsprache und einen World Press Photo Award. / Walter Schels lebt und arbeitet seit 1990 in Hamburg. Er ist Mitglied der Freien Akademie der Künste in Hamburg und Ehrenmitglied des BFF (Berufsverband Freie Fotografen und Filmgestalter e.V.). Seine Arbeiten werden im In- und Ausland gezeigt. /